Markus Hauser (Tiroler Tageszeitung)


Schwerelos in sich versunken, landschaftlich verfließend, schweben seine Frauenkörper in nicht definierbarer Räumlichkeit. Sie ruhen nicht, bewegen sich fort aus der Erstarrung ins Unendliche, fragen nach der Urformel eines Menschenlebens.

Das lebende Modell des menschlichen Körpers, ein Wunderwerk an Proportion und Wandlungsfähigkeit, war und ist für den stetig suchenden Künstler exakt jener Plan, der ihn seine Stellung bestimmen läßt, der den intellektuellen Gedanken zum Leuchten bringt, welcher letztlich die materielle Handlung beherrscht.
Wenn Savio die Anatomie seiner Figuren aus formalen Gründen verzerrt, überlängt, überdehnt, zusammendrückt, ins geradezu Landschaftliche ausbreitet, so steht dies immer mit dem inneren Ausdruck und der gewollten Aussage, wie etwa im mittelalterlichen Bedeutungsrealismus, im Einklang. Größenverhältnisse und Bewegungsabläufe werden zugunsten gesteigerter Expressivität verändert. Jedes Spiel der Formen, jeder Farbklang hat seine tiefere Bedeutung. Für Savio ist die Auseinandersetzung mit dem Akt eine Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Wohin, mit der Frage nach den Grenzen, Gesetzen, Zwängen und Freiheiten des Lebens.

In Savios Landschaftsbildern scheinen Raum und Zeit, wie in tiefen archetypischen Schichten des Unbewußten weitgehend aufgelöst. Seine Landschaften tragen gleichzeitig die Farbtöne aller vier Jahreszeiten, wodurch der Rhythmus des Lebens in die Zeitlosigkeit des Seins übergeführt wird. Zarte frühlingshafte Gelb- und Grüntöne, sattes Rot Braun, Ocker des Herbstes nebst düster für den Winter typischen Farbigkeit fugen sich zu einer übergreifenden Harmonie und zeigen Weltlandschaft wie sie von Anbeginn an gewesen sein mag.


Savio: Die Beziehung zur Landschaft als Quelle für eine expressive Bild - und Formfindung


Mag. phil. Eleonora Bliem-Scolari

Jedes Stück des Weges, das ein Kunstschaffender im Lauf seiner Entwicklung, seinem prozesshaften Abtasten der eigenen Fähigkeiten und seines Vorstellungspotentials im Fortschreiten in kunstbezogener Manier hinter sich lässt, resultiert im Grunde genommen aus einem mehr oder weniger ausgewogenen Spiel visueller Erfahrungen, emotioneller Aufnahmebereitschaft und schließlich aus der intellektuellen Verarbeitung konventioneller Eindrücke. Die morphologischen Strukturen einer Landschaft fordern vom Beobachter nicht immer stringentes Raumsehen und das Haptische eines menschlichen Körpers kann in der aufgelösten Kontur die sensitive Begreifbarkeit erfahren. In dem Sinn wird Eindeutiges nicht auf augenscheinliche Kürzel reduziert, sondern erlebt in unserer nicht vorurteilsfreien Blickwelt die Arbeit eines Kunstschaffenden als interessante Herausforderung für unsere eigenen Gedankenkonstrukte.

Gerade dem Maler und Bildhauer Savio, er studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Anton Lehmden und Josef Mikl, gelingt jenes unverwechselbare Umsetzen von natural Erfassbarem in malerische Notationen, die an sich assoziationsfrei dem Wesentlichen verpflichtet sind. Die duale Mischung aus einer rational orientierten Titelfindung und dem Ergebnis – der künstlerischen Umsetzung auf dem Bildträger oder den raumgreifenden Objekten in Holz oder Metall – beweisen augenscheinlich Savios Intention, seiner künstlerischen Arbeit nicht alleinig eine spontane Emotion, sondern viel mehr eine Idee, einen ursächlichen Willen zur Formulierung zu unterlegen. Die vertraute Aussicht, das Waldviertel, das Kamptal, konkurrieren bei Savios Landschaftsdarstellungen tatsächlich mit seiner Vorstellungskraft, und die bodenständig horizontferne Wegpartie wird einem farbinduzierten Augenblick gleichgesetzt. Zum Beispiel werden in den Bildarbeiten zu „Erdiges Land“ (2005) die dem Wechsel der Jahreszeiten ausgesetzten Felder, Wiesen und das Kulturland zu Farbwerten. Die Homogenität der Landschaft gewinnt durch die Umsetzung in monochrome Kompartimente in unserer Gedankenwelt tendenziell an Bewegung und Tiefe, um dann wiederum in dem Bildzyklus „Relikte“ (2004, 2005) in der typischen Landschaftsaussicht den Nahpunkt zu finden. Schlussendlich tendiert Savio zur Auflösung einer annähernden Gegenständlichkeit, in der eben nur mehr die erwähnte Idee der uns vertrauten Landschaftsvariabeln eingesetzt wird. Das Aufbauen vieler Bildarbeiten mit wiederholt collagierten Elementen und der Einsatz unterschiedlicher Materialien wie Eisen oder Holz als Bildträger unterstützen auch den konstruktiven Charakter der Bildthematik.

Das ausgewählte Motiv erfährt aber seine Zusammenfassung, seine zielführende Bedeutung durch die Kontur, die dem typischen Räumlichkeitsgedanken entgegen geht.

Der Landschaft folgt als weiterer Motivschwerpunkt Savios die farblich kontrastreiche Aktdarstellung des menschlichen Körpers - eine Darstellungsweise, die eigentlich replizierend das Prinzip der Landschaftsaufnahme erahnen lässt. Proportional überlange Körperpartien werden in skizzierten Konturen zusammengefasst und der Strich selbst, der Malduktus wird vom Künstler rasch und fahrig eingesetzt. Das Ziel des Zeichners und Malers ist nicht die Darstellung einer vorweg genommenen geschlossenen Einheit, denn diese Erfahrung findet durchaus erst in den Augen des Betrachters ihre weitere Fortführung.

Eine durchwegs differente Themenaufarbeitung erfährt man in dem als Installation konzipierten Bildzyklus zu den Versen des „Cherubinischen Wandersmanns“ des deutschen Mystikers Angelus Silesius, der 2006 im Rahmen des Projektes „KUNSTmesse. Zeitgenössische Kunst im sakralen Raum“ im Weinviertel entstanden ist. Das scheinbar fragile Zusammentreffen von rhythmisierenden Formen mit balanciert verhaltenen Farbwerten am Bild festigt in begleitender Absicht die Verse in ihrer Aussagebrisanz, nämlich die Vereinigung der Seele mit Gott zu erreichen. Die Malerei übernimmt den Part der Interpretation und der Antwort des Künstlers auf die Gebete des Mystikers.

Hingegen wird in den Holzobjekten und den Bronzearbeiten, v. a. in den Arbeiten „Bewegung“, „Liegende“ oder „Ballett“ der Körper, der Torso durch die tragende Konstruktion, dem Podest, einer unvermutet weiteren Spannung ausgesetzt; die Plastik und ihr Träger konkurrieren förmlich mit dem Anspruch auf Eigenständigkeit. Als durchaus von gegenteiliger Natur empfindet man die Bronzeserie mit der Bezeichnung „Ein Hauch“ (2005), in der Savios Reduktionsprinzip auf spannende Weise sichtbar wird. Der konkreten Titelgebung steht eine indirekte Objektlösung gegenüber und auch die raumgreifende Eigenschaft wird beinahe auf Reliefstatus zurückgedrängt.

Nun, zahlreiche Auftragsarbeiten für den öffentlichen Raum, in denen sich der Kunstschaffende mit der herausfordernden sakralen Thematik („Kreuzgang“, Kapelle des Bezirkskrankenhaus Lienz, 2000) genauso auseinandersetzt, wie zum Beispiel mit einem Zyklus von Bildern für die Wandgestaltung eines Speisesaales („Formenklang“, Nestlé Wien, 2000), in dem organisch wirkende Zeichen und Chiffren einer Formel gleich gelesen werden wollen, unterstreichen die Vielseitigkeit Savios in Bezug auf das kunsttechnische Anwendungsspektrum als auch die Vielschichtigkeit, sich differenzierten Inhalten abwägend zu nähern und sie spekulationsfrei aufzubereiten.

Der Betrachter seiner Bilder und Plastiken erfährt es als bereicherndes Erlebnis, näher hinzusehen und schließlich die thematische Auseinandersetzung zuzulassen.


Gedanken zur Landschaftsmalerei:

 

Ich halte Landschaften fest, in Zeichnungen, die vor Ort entstehen oder auch nur im Kopf. Es sind lebendige Körper aus Öl und Leinwand. Jedes Bild bleibt ein Versuch, ist niemals beendet, und jedes Bild weckt das Verlangen nach einem neuen. Mir liegt nichts daran, ein getreues Abbild zu schaffen, das können Fotografen besser. Ich halte einen Augenblick fest und mache ihn mit meiner eigenen Sprache zeitlos. Es ist eine neue Unruhe in mir. Aber sie ist schön, da sie aus dieser Landschaft geboren ist. Ich versuche, diese Unruhe in meiner Arbeit zu stillen, aber ich wünsche mir, dass sie nie aufhören möge, mich weiter zu treiben.